Der Wochenschluss an den Börsen stand ganz im Zeichen einer Orientierungssuche nach den heftigen Preis-Reaktionen am EZB-Donnerstag. Kursschwankungen dieser Größenordnung, vor allem in Bundesanleihen, erlebten wir letztmalig am Black-Monday im August 2015. Bullen wie Bären dürften sicherlich erleichtert darüber gewesen sein, dass uns das Wochenende einen längst überfälliges „Time-Out“ schenkte. Ich jedenfalls war es, denn die zu verarbeitenden Informationen und Marktreaktionen waren erschlagend und sind es immer noch. Es ist daher fast gemein darauf hinzuweisen, dass im Dax die letzten 48 Stunden gar nicht so viel passiert ist. Der Index schloss nämlich in etwa da, wo er sich kurz vor der EZB-Ankündigung um 13:45 am Donnerstag befand. Grob gesagt verabschiedete er sich zum Wochenende im oberen Drittel der durch die EZB am Donnerstag ausgelösten Handelsspanne (9.400 – 10.000) und Bullen sowie Bären werden jetzt versuchen, dieser Price-Action ihren Stempel aufzudrücken. Klar!!!

Nach der Vola der letzten Tage und den Maßnahmen von „Super-Mario“, ist es nicht nur für Laien schwer, den Überblick zu behalten. Man sieht den Wald vor lauter Bäume nicht mehr. Es empfiehlt sich die Vogelperspektive einzunehmen und aus der Distanz einen Blick auf die Geschehnisse der letzten Monate zu werfen. Der Dax hat seit seinen Hochs im vergangenen Jahr (12.400) rund 21% an Wert verloren. Sieben Jahre nach den Kurstiefs der Finanzkrise, handeln die Zentralbanken so aggressiv wie noch nie bei ihrem Versuch, das Wirtschaftswachstum und die Inflation anzukurbeln. Die Maßnahmen der EZB, die am Donnerstagnachmittag angekündigt wurden, waren in ihrem Umfang massiv (so weit ist selbst die Fed niemals gegangen) und wurden dennoch von den Marktteilnehmern vehement abgeblockt. Seit seinen Tiefs Mitte Februar, hat der NASDAQ über 300 Punkte zugelegt. Trotzdem reichte es nicht dafür, dass die Einzelwarte im Index endlich mehr neue Hochs als neue Tiefs hinlegen. Wenn selbst die Hoffnung und dann die tatsächliche Lieferung von QE das nicht mehr zu leisten vermag, was denn bitte dann??? Auch im Dax, sieht die Technik trotz der jüngsten Rallye alles andere als rosig aus. Die Monatskerzen im Chart zeigen, dass wir seit QE1 der EZB (Anfang 2015) ein Top ausgebildet haben und seither kippen. Die Kerze für den Februar 2016 war zwar kein „Doji“, hatte aber dennoch eine so lange Lunte nach unten, dass sich die Bullen Hoffnung auf eine Bodenbildung machen konnten. Mit dem Kuss der 10.000 am Donnerstag, sind wir aber an der Aufwärtstrendlinie (gezogen durch die Tiefs 2011 bis 2015) von unten wieder abgeprallt. Diese wichtige Trendlinie wurde im Februar nach unten durchbrochen und dient jetzt als wichtiger Widerstand. Solange wir uns also nicht deutlich oberhalb der 10.000er Marke im Dax auf Wochen- und Monatsschlussbasis wieder festbeißen können, bleibt das mittel- und langfristige Bild in der Technik eindeutig bärisch.

Dax Weekly

Quelle: VWD

Die Rallye am Freitag an der Wall Street war durchzogen von bärischen Divergenzen. Ein Vergleich des S&P-Index zum Verlauf des EUR/USD Kurses ist ein Beispiel. Ein weiteres die Tatsache, dass das neue Verlaufshoch im S&P nicht durch ein neues Hoch im RSI bestätigt wurde. Entweder weiteres Momentum in den nächsten Stunden bügelt diese Divergenzen aus, oder Aktienbullen wird es bald an den Kragen gehen.
Gemessen seit Jahresanfang sieht es an der Wall Street jetzt so aus: S&P -1.06% | DOW -1.22% | Nasdaq -5.17% | Russell -4.26% | Gold +18.7% | USD -2.5%

Nach der Ankündigung der EZB, auch Unternehmensanleihen mit „investment grade rating“ (also ab BBB- aufwärts) in ihr Wertpapier-Kaufprogramm einzubeziehen, sind im dortigen Marktsegment die Risikoaufschläge (Spreads) deutlich reingelaufen. Klar, ein „front-running“ der EZB hat begonnen. Mit der Eröffnungsglocke am Freitag, kamen viele Unternehmen sofort mit Anleiheemissionen und fanden willige Abnehmer. Der Anreiz für bonusgetriebene Unternehmensvorstände ist nun noch größer, Fremdkapital aufzunehmen, die entsprechenden Risiken bei Ihnen oder der EZB abzuladen und mit den Erlösen Dividenden auszuschütten und/oder Aktienrückkäufe zu tätigen. Das geschieht auf PUMP!!! Diese Vorgehensweise erhöht also den Verschuldungsgrad dramatisch, sorgt aber erstmal für sprudelnde Tantiemen, da diese ja meist an den Aktienkurs gekoppelt sind. Würden sie CEOs, die so verfahren und nicht in CAPEX zu investieren, ihre Ersparnisse anvertrauen???
Auch fragt man sich was passiert, wenn die Welle der Unternehmensinsolvenzen noch größer wird. Für diese Prognose bedarf es keiner prophetischen Gaben. Man bedenke, dass Lehman bis einen Tag vor dem Kollaps noch ein „investment grade“ Rating hatte. Auch möchte ich an dieser Stelle nochmals unterstreichen, dass die Entscheidung der EZB den Tod dieses Marktsegments zur Folge haben wird. Dieser Markt ist viel zu klein, um für Zentralbankenkäufe geeignet zu sein. Die Liquidität in diesem Segment wird komplett austrocknen.
Einen letzten Punkt sollte man auch noch auf dem Radar haben, wenn Anleiherenditen nicht von einem freien Markt, sondern von Technokraten bestimmt werden. Es sind die Auswirkungen auf unsere Vorsorgesysteme, also einem elementar wichtigen Pfeiler unserer Volkswirtschaft. Auf Sicht werden Versicherungen, die sich jetzt über die ganz kurze Frist noch über Kursgewinne freuen, in ernsthafte Schwierigkeiten geraten. Deren Geschäftsmodell ist nicht mehr aufrechtzuerhalten, wenn alte Anleihebestände mit hohen Kupons fällig werden und die Erlöse in Papiere gerollt werden müssen, deren Kupons nur noch wenige Basispunkte über Libor liegen. Ich wäre gerne Mäuschen in den derzeit laufenden Anlageausschusssitzungen der Versicherungen. Jeder Manager, mit einem Horizont, der über den Gartenzaun hinausgeht, dürfte spätestens jetzt im Panikmodus sein.

Anders als in der Vergangenheit, fiel denn auch die Kommentare der Bankenvolkswirte über das was die EZB am Donnerstag gemacht hat vernichtend aus. Unter anderem machte beispielsweise Robert Halver von der Baaderbank darauf aufmerksam, dass die Maßnahmen der EZB keine positiven Effekte auf die Konjunktur haben werden. Im Gegenteil. Er schreibt: „Die Banken könnten versuchen, den Zinskostennachteil durch Strafzinsen in Form steigender Kreditzinsen an die Kreditnehmer weiterzugegeben. Die Kreditbedingungen würden sich wegen der Zinspolitik der EZB also noch verschlechtern und das Kreditvolumen noch schwächer ausfallen.“
Die verbalen Rundumschläge mehrerer EZB­-Mitglieder am Freitag, zeigt denn auch, wie hilflos, blind und fast panisch die Herrschaften in Wahrheit sind. In der Hoffnung, Vertrauen zurückzugewinnen, liess sich der Finne Liikanen in der New York Times wie folgt zitieren: “We did what was essential in this situation, but it is clear that the ECB’s ability to act has not run out. We have the capability and the tools if needed.“ Fast schon schmollend gab der Portugiese Constancio zu Protokoll: “Not only is it wrong to start talking down monetary policy — it’s actually dangerous.” (böser Halver). Das Beste kam allerdings vom Chef selbst, als er nur wenige Stunden nach dem “launch” seiner Bazooka vor wachender Einkommensungleichheit in der Eurozone warnte. Ob er weiß, dass genau seine Geldpolitik der Hauptgrund dafür ist?

Nach der EZB ist vor der Fed. Ähnlich wie bei der massiven Bärenmarktrallye im Januar, bin ich als Aktienbär schon fast wieder froh, dass die aktienfixierten Notenbank am Mittwoch zu einem Zeitpunkt tagt, an dem der S&P @2.022 ( und nicht @1.800) und der EUR/USD @1,1150 (und nicht @0,9500) handelt. Der pawlowsche Reflex der letzten zwei Jahre bleibt uns nämlich weiterhin erhalten. Immer wenn der S&P in Richtung 1.800 kippt, bekommen unsere Notenbanker weltweit Schnappatmung. Jeder „Falke“ wird dann reflexartig wieder zur „Taube“. Die momentanen Kursniveaus geben der Fed mehr Handlungsspielraum bei ihrem Versuch, ihre Geldpolitik zu normalisieren. Wie am Freitag geschrieben, werden die dieswöchigen Treffen der BoJ und Fed bestenfalls neutral für die Märkte ausfallen. Einer sofortigen Kursschwäche der Aktien steht nur noch der Optionsverfall (OPEX) am Freitag im Wege.

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