• Wow, was für ein Freitag! Ein Tag der an die Zeit im Herbst 2008 erinnerte. Damals drehte sich alles um Lehman, heute um die Deutsche Bank und den Mittelabzügen ihrer institutionellen Kunden. Und wow, es war wirklich für alle Seiten was dabei, für Bullen wie Bären, für Alles-wird-gut-Realitätsverweigerer und Weltuntergangspropheten.
  • Die Aktie der Deutschen Bank fiel zunächst im europäischen Handel um 9% und damit unter die extrem wichtige Marke von 10 Euro. Den Dax zog das wie ein Mühlstein um über 2% nach unten. Das Level von 10 Euro ist eben solches, ab dem einige Marktbeobachter einen Run auf die Bank für unvermeidbar halten. Wahrscheinlich wäre die Situation vor dem verlängerten Wochenende auch eskaliert, wenn nicht ein Gerücht, welches dann von der Presseagentur AFP dankend aufgenommen wurde, zu einem epischen Short-Squeeze geführt hätte.
    Ausgehend von Twitter wurde verbreitet, dass die Deutsche Bank in Sachen Strafzahlungen kurz vor einer Einigung mit dem amerikanischen Justizministerium (DoJ) stehen würde. Die Rede war in diesem Zusammenhang nicht mehr von 14, sondern von 5,4 Milliarden Dollar. Frei nach dem Motto – Wir berichten bevor wie recherchieren – lautete die Headline: „Deutsche Bank near $5,4bn US settlement over mortgage bonds: source“. Man beachte den Hinweis „source“, der üblich ist, wenn man in Wahrheit keine Quelle hat.
    Das selbst 5,4 Millarden Dollar praktisch die gesamten Rückstellungen für alle (!) gegen die Bank laufenden Verfahren auffressen würde, schien egal zu sein. Dem Markt reichte dieser rettende Strohalm vor dem verlängerten Wochenende. Er wurde dankend umklammert. Mit dem wahrscheinlichen Ziel, die Seriosität zu wahren, ruderte die Presseagentur etwas später zurück. Die Headline wurde auf „Deutsche Bank Settlement May Be Announced Coming Days“ umgeschrieben. Ausgehend von den Tageshochs, bröckelten die Aktienindizes an der Wall Street bis zum Closing dann wieder etwas ab (Freitag: $DB +6,4%, Dax +1,01%, EuroStoxx +0,36%, S&P +0,8%, Dow +0,91%).
    Eine Journalistin auf CNBC wies richtigerweise darauf hin, dass die Deutsche Bank nach dem Gesetz dazu verpflichtet wäre auf eine Einigung mit dem DoJ hinzuweisen, wenn es denn tatsächlich stimmte. Da diese Mitteilung über das Wochenende nicht kam und auch Zeitungen meldeten, dass ein Deal nicht geschlossen wurde, bleibt es dabei. Das ganze war ein Gerücht. Wurde es vielleicht gezielt gestreut?
  • Deutsche Bank Chef Cryan wurde zwischenzeitlich auf Bloomberg mit den Worten zitiert: „Deutsche Bank has never had as safe balance sheet in the past two decades and there is no basis for media speculatios of clients leaving.“ Wir dürfen gespannt sein, ob ihm diese Aussage nicht eines Tages um die Ohren fliegen wird. Pure Worthülsen werden ohnehin nicht mehr lange helfen (n-tv am WE: „Dax-Chefs werben für Deutsche Bank“). Solange die Kapitaldecke nicht gestärkt wird, werden die Probleme nicht aufhören hochzukochen. Wir sind einem Punkt, an dem es nur noch vier Optionen gibt. 1) Kapitalerhöhung über den Aktienmarkt (wer will der Bank noch Geld geben???) oder Coco-Bonds (dürfte andere Nachranganleihen enorm belasten), 2) (Teil-) Verstaatlichung, 3) EZB Bail-Out, 4) Bail in.
  • Als ich mich am Freitag mit einem Ex-Kollegen aus meiner Zeit bei der Deutschen Bank austauschte, kamen wir beide zum traurigen Ergebnis, dass sich die Legende Alfred Herrhausen mit Blick auf das, was von der Bank übrig geblieben ist, im Grabe umdrehen würde. Mein Gott, ich weiß noch mit wie viel Stolz ich vor vielen Jahren erfüllt war, als ich meinen Arbeitsplatz bei der Deutschen Bank antrat. Damals ein „Powerhouse“, ………heute ein Scherbenhaufen. Nach Herrhausen kamen nur noch Idioten und Selbstdarsteller in den Vorstand.
    Mein aktueller Betreuer, den ich am Freitagnachmittag in privater Sache traf, ein Banker vom alten Schlag und kurz vor der Rente, flüsterte mir mit bewegter Stimme zu: „Unter Herrhausen, wäre uns das niemals passiert“. Stimmt!!! Herrhausen war sich der Katastrophe bewusst die folgen wird, wenn man zu viele Schulden mit noch mehr Schulden bekämpft. Er wollte diesen Teufelskreis beenden. Mit seiner Vision machte sich dieser charismatische Mann über Nacht zum Todfeind des Systems. Der Rest ist Geschichte.
  • In diesen Tagen stellt sich die Systemfrage. Wollen wir wieder einen Kapitalismus, oder machen wir weiter mit dem Dreiviertel-Sozialistmus? Mit der Rettung des Hedge Fonds LTCM im Jahre 1998 hat sich eine „Moral Hazard“ Kultur etabliert, die uns ins Verderben stürzt. LTCM war ein Tröpfchen, Deutsche Bank ist ein Ozean. Deutsche Bank stünde heute nicht vor dem Abgrund, wenn man damals LTCM hätte pleite gehen lassen.
    Menschen, die ihre Gelder in ein falsches Geschäftsmodell stecken, müssen dafür geradestehen und dürfen sich nicht auf eine Zentralbank oder den Steuerzahler als Retter der letzten Instanz verlassen. Mit ihrer Geldpolitik haben die Zentralbanken dafür gesorgt, dass die Deutsche Bank das Zeitfenster nicht genutzt hat, um den Laden aufzuräumen. Das erlaubte der Bank, seit der Subprime Krise, 19 Milliarden Euro an Bonuszahlungen zu leisten.
  • Zurück zum Markt. Bullen zeigten sich euphorisch über den „intraday turnaround“ am Freitag. Zugegeben, blendet man alles was sich da draußen zusammengebraut hat einmal aus und fokussiert nur auf die Charttechnik, könnte man nun für eine Jahresendrally argumentieren. Bären ziehen auf der anderen Seite Lehman, Enron und HypoRe als Beispiele heran. Hier lässt sich darlegen, dass „Alles-Wird-Gut-Short-Squeezes“ von 10% wenige Tage vor einem Kollaps nicht die Ausnahme, sondern die Regel sind. Auch Lehman hatte kurz vor der Pleite hohe Reserven. Diese schmolzen innerhalb weniger Tage wie Eis in der Sonne.
  • Auffällig war in den „risk off“ Phasen der letzten Tage, dass der Anleihemarkt zwischenzeitlich komplett austrocknete. Der Schirme waren ohne handelbaren „bid“. Keine Händler stellten mehr Geldkurse für Unternehmensanleihen, insbesondere Bankanleihen. Es war ein Vorgeschmack dafür was passiert, wenn sich die Situation mit der Deutschen Bank nochmal zuspitzen sollte. Man kommt aus seinen Anlagen nicht mehr raus. Selbst nicht zu Schleuderpreisen. Offensichtlich ist außerdem, dass in den letzten Tagen in Punkto Dollar-Funding eindeutig Streßsymptome vorhanden sind (siehe 3M EUR-USD Basis Swap). Die Liquidität im Interbankenhandel sinkt. Die Dollar-Nachfrage der europäischen Geldhäuser ist sprunghaft angestiegen.
    Die Wall Street schloss gestern trotz eines festeren Ölpreises mit leichten Verlusten (Dow -0,3%, S&P -0,33%). Die Prämien für Ausfallversicherungen (DB 1yr Sub CDS) auf Deutsche Bank Nachranganleihen stiegen erneut auf Rekordniveaus.

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